Die in Rumänien geborene deutsche Schriftstellerin Herta Müller erhält den Literaturnobelpreis 2009
Obwohl der Name Herta Müller im heiteren Namenraten der letzten Tage öfters ins Spiel gebracht wurde, mag es auf den ersten Blick eine nicht geringe Überraschung sein, dass der 1953 im rumänischen Banat geborenen Autorin der mit 965.000 Euro dotierte Preis zugesprochen wird.
Auf den zweiten Blick wird mit Herta Müller, die als Tochter eines Vaters mit SS-Vergangenheit in die deutschsprachige Minderheit Rumäniens hineingeboren wurde und drei Jahrzehnte später, mit Publikationsverbot belegt, nach Deutschland emigrierte, eine sprachgewaltige, sprachlich facettenreiche Autorin ausgezeichnet, deren Werk die Aufarbeitung nicht nur der Nachkriegszeit, sondern der Geschichte des ehemaligen Ostblocks eingeschrieben ist.
Begonnen hat alles 1982, als Herta Müller mit ihrem Prosaband Niederungen debütierte. Müller zeichnet darin nicht nur eine traumatische Kindheit auf dem Land nach, sondern schildert auch das Leben der Banatschwaben in einer von Angst und Missgunst geprägten dörflichen Antiidylle. Das Dorf als Metapher für Enge und gegenseitige Kontrolle wird Müllers Schreiben grundieren. Noch in Herztier heißt es: "Alle bleiben hier Dörfler. Wir sind mit dem Kopf von zu Hause weggegangen, aber mit den Füßen stehen wir in einem anderen Dorf. In der Diktatur kann es keine Städte geben, weil alles klein ist, wenn es bewacht wird." (Der Standard)
Enklaven haben den wunderbaren Effekt, dass dort die Sprachen der Zuwanderer ihre ursprünglichen Formen viel länger bewahren. So haben sich im rumänischen Banat, in dem unter den Habsburgern über Jahrhunderte Deutsche angesiedelt wurden, Mundarten erhalten, die sich in der alten Heimat längst anders entwickelten. Das gibt diesen Sprachinseln heute einen ganz eigenen, altmodisch-poetischen Charakter.
Aus einer dieser Enklaven stammt die in Berlin lebende Dichterin Herta Müller, die am Donnerstag von der Schwedischen Akademie mit dem Nobelpreis für Literatur bedacht wurde. Aus ihren Texten, die scharfe Intellektualität verraten, scheint auch die Exotik der alten Sprache herüberzuwehen. Dieses Jahr wird also eine Dichterin aus einer besonders kleinen Nische ausgezeichnet – nichts Neues bei den Entscheidungen der Gelehrten in Schweden, die das tapfer Randständige neuerdings den großen Romanen aus dem Norden und Süden Amerikas oder der Lyrik Asiens vorziehen. Allerdings trifft es stattdessen eine stilistisch völlig eigenständige Autorin, die virtuos in ihrer Trauerarbeit ist. Müller ist unbequem, kantig, kann aber auch sehr lyrisch sein. (Die Presse)