EIN GESPRÄCH MIT ROMA AKTIVISTINNEN, WISSENSCHAFTLERINNEN UND KÜNSTLERINNEN

Am 11. Juni findet eine Führung durch die Ausstellung Roma Women Weaving Europe in der ERIAC Galerie statt, gefolgt von einer Debatte mit Roma Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen im RKI:

17:00-18:00 Uhr.: Führung durch die Ausstellung, Ort: ERIAC, Reinhardtstraße 41-43, 10117 Berlin.

18:00-20:00 Uhr.: Debatte, Ort: Rumänisches Kulturinstitut - Reinhardtstraße 14, Eingang D, 4. OG, 10117 Berlin.

Veranstaltung in englischer Sprache.

Die Geschlechterungleichheit ist in den letzten Jahren weltweit zu einem Fokus aktueller Debatten geworden. Die ungefähr 6 Millionen Roma Frauen in Europa kennen die Auswirkungen der Geschlechterungleichheit allzu gut. Sie werden mit einer vielfachen, intersektionalen Diskriminierung konfrontiert – als Frauen, als Angehörige einer stigmatisierten ethnischen Minderheit mit erhöhtem Risiko für soziale Ausgrenzung und Armut – welche sie dazu bewegte, die patriarchale und rassistische Unterdrückung auf kreativer Weise zu bekämpfen. Der alltägliche Kampf der Roma Frauen wurde zur Grundlage einer allmählichen Entwicklung des Roma Feminismus als eine Bewegung gegen Ungerechtigkeit. Die Stimmen der Roma Frauen – Geschichten über Widerstandsfähigkeit und Überleben, sowie über Solidarität und Stolz – werden zu einer Inspirationsquelle und einem Anlass zur Reflexion für zeitgenössische Auseinandersetzungen in Europa. Somit sind Romnia (Roma Frauen) die Vorreiterinnen einer neuen Revolution – ihre Kraft schöpfen sie aus ihren eigenen Gemeinschaften und aus den transnationalen Solidaritätsnetzwerken, sie bauen ein neues soziales Gefüge, indem sie die Anstrengungen und Leistungen der Mehrheit und diejenigen der Minderheit miteinander verflechten.

Das EuropäischeRoma Institut für Kunst und Kultur (ERIAC) und das Rumänische Kulturinstitut in Berlin (RKI) bringen mehrere Roma Persönlichkeiten zusammen, um über vielfältige aktuelle Herangehensweisen an das Roma Feminismus zu diskutieren. Die Debatte – an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik, Aktivismus und Kunst – wird verschiedene Aspekte des Kampfes für Geschlechtergleichheit sowie für ethnische Gleichheit vorstellen. Roma Frauen werden zu einer bedeutenden Inspirationsquelle für Frauen überall auf der Welt auch dadurch, dass sie sich so vielfältige Strategien zur Bekämpfung von Sexismus und Rassismus aneignen.

Diese Debatte stellt das Abschlussevent des Begleitprogramms der Ausstellung „Roma Women Weaving Europe – Roma Feminist Thought and Contemporary Art”, organisiert vom Europäischen Roma Institut für Kunst und Kultur (ERIAC) und vom Rumänischen Kulturinstitut in Berlin.

Programm:

18:00 – 18:10 Eröffnung

Vertreter RKI  

Timea Junghaus, Geschäftsführerin ERIAC

18:10 – 18:25 Einführung: 

Eine kurze Geschichte des Roma Feminismus von Jelena Jovanovic, Wissenschaftlerin, Koordinatorin der Politik und der Forschung beiERGO Network (Serbien / Belgien)

18:25 – 19:25 Moderierte Diskussion: 

“Eine Feministische Debatte der politischen Bewegung der Roma – Unterschiedliche Facetten des Roma Feminismus“

Teilnehmerinnen:

Carmen Gheorghe, Präsidentin der Organisation der Roma Frauen E-Romnja (Rumänien)

Dotschy Reinhardt, Sängerin und Aktivistin,CEO des Landesrates der Roma und Sinti Berlin-Brandenburg e.V. (Deutschland)

Jelena Jovanović, Wissenschaftlerin, Koordinatorin der Politik und Forschung bei ERGONetwork (Serbien / Belgien)

Ramona-Maria Cara, junge Roma Aktivistin und Sozialarbeiterin (Rumänien / Deutschland)

Sandra Selimović, Schauspielerin und Aktivistin (Serbien / Österreich)

Moderatorin: Mihaela Zatreanu, Mitglied der ERIAC Barvalipe Academy, Sprachwissenschaftlerin und Aktivistin

19:25 – 19:40 Fragerunde

Schlussfolgerungen von Mihaela Zatreanu

19:40 – 20:00 Kleiner Umtrunk im RKI

Carmen Gheorghe (Rumänien)

Carmen betrachtet sich selbst als Aktivistin, obwohl sie nicht im Namen der Frauen zu sprechen versucht. Sie glaubt eher daran, „diesen die Chance zu geben, gehört zu werden”. Der Titel ihrer Masterarbeit in Politikwissenschaft, Re-imagining the Roma woman throughout history, betont ihr Interesse für die Frauen, deren Leben unsichtbar geworden sind, gerade weil „sie lediglich durch die Augen anderer betrachtet werden”. 2012 reiste Carmen in die USA im Rahmen eines International Leadership Programms des Außenministeriums der Vereinigten Staaten. Zu diesem Anlass konnte sie den Entwicklungsprozess von Gemeinschaften beobachten, der von gemeinnützigen Organisationen in fünf Staaten durchgeführt wird. Nachdem sie in Rumänien zurückgekehrt war, gründete Carmen den Verein E Romnja [Romani Women] Association. E Romnja ist sowohl in Städten, als auch in Dörfern aktiv, vor allem in den ärmsten Regionen Rumäniens.

Jelena Jovanovic (Serbien / Belgien)

Jelena Jovanovic ist Koordinatorin der Politik und Forschung bei der Europäischen Roma Grassroots Organisation (ERGO) in Brüssel, Belgien und Forschungsmitglied am Zentrum für Politische Studien der Zentraleuropäischen Universität in Budapest, Ungarn. Während sie ihrem Interesse für die Intersektionalität zwischen Geschlecht und Ethnie, basierend auf institutionelle Diskriminierung, nachging, entwickelte sie während ihres Masterstudiums an der Zentraleuropäischen Universität in Budapest und an der University of Hull in England (2012-2014) ein Interesse für die umfassende Situation der Roma Darstellungen und Selbstdarstellungen, auf nationalem, sowie auf transnationalem Niveau. In diesem Sinne führte sie Forschungsprojekte durch, über Darstellungen der Roma im Allgemeinen und der Roma Frauen im Besonderen, in den Medien und in wissenschaftlichen Diskursen. Sie analysierte Selbstdarstellungen der politischen Roma Aktivistinnen auf transnationaler Ebene. In Bezug auf das politische Engagement der Roma Aktivistinnen, unterzieht Jelena das Konzept der Identität von Roma Frauen einer kritischen Untersuchung. Sie ist die Mitherausgeberin des bahnbrechenden Werks „The Romani Women’s Movement. Struggles and Debates in Central and Eastern Europe” (Routledge, 2018).

Dotschy Reinhardt(Deutschland)

Dotschy Reinhardtist eine deutsche Sinteza, die in Ravensburg aufgewachsen ist. Sie ist CEO des Landesrates der Roma und Sinti Berlin-Brandenburg e.V., Sängerin (4 Alben), Autorin zweier Bücher: eins über die Geschichte ihrer Familie und das andere über die Wahrnehmung der Minderheit, zu der sie gehört, in der Pop-Kultur. Sie bekämpft Stereotype und Vorurteile und gerade engagiert sie sich ebenfalls in der Politik, als Vorstandsmitglied SPD Mitte-Alexanderplatz. Die Musikerin und Autorin Dotschy Reinhardt kämpft seit Jahren als Menschenrechtsaktivistin gegen Diskriminierung der Sinti und Roma. Ihr letztes CD „Chaplins Secret“ versteht sie als Ausgangspunkt für die Hommage an ihre musikalischen Wurzel, Vorbilder und Einflüsse, die vom leidenschaftlichen Swing von Django Reinhardt, Bossa Nova und dem amerikanischen Jazz bis zur Musik von Frank Sinatra und dem Singer-Songwriter Popmusik reicht, gemischt mit ihren eigenen Kompositionen und ausgewählten Stücken, wie „Swing little Girl” von Charlie Chaplin. Sie versucht zu verdeutlichen, dass Sinti und Roma eine Rolle in der deutschen und europäischen Geschichte und Kultur spielen, sodass ihre Mitbürger diese Tatsache verstehen. Sie will ihnen zeigen, dass Sinti und Roma nicht nur Überleber sind, sondern auch gleichberechtigte Mitbürger.

Mihaela Zatreanu (Rumänien)

Mihaela Zatreanu ist wahrscheinlich eine der besten Experten für die Lehre der Romani Sprache unter den Roma mit einer beachtlichen Erfahrung im Bereich der Romani Linguistik. Absolventin des Pädagogischen Gymnasiums und der Hochschule für Fremdsprachen in Bukarest, arbeitete Mihaela in den letzten 15 Jahren im Bereich der Roma Erziehung, anfangs als Schullehrerin, später als Ausbilderin für Roma und Nicht-Roma ErzieherInnen und als Inspektorin im Bildungsministerium. Mihaela Zatreanu hat den ersten Lehrplan für die Romani Sprache in Rumänien gestaltet und setzte ihre Tätigkeit fort, indem sie Werke verfasste und eine Reihe von Textbüchern für die Romani Sprache veröffentlichte. Während ihrer 5-jährigen Aktivität als Inspektorin im Bildungsministerium trug sie zur Entwicklung von Gesetzgebungsmaßnahmen für die Erhöhung der Einschulungsrate der Roma bei, beaufsichtigte und koordinierte lokale Programme für zusätzliche schulische Unterstützung und führte zum ersten Mal in Rumänien SchulmediatorInnen ein. Mihaela Zatreanu nahm eine wichtige Rolle bei der Einführung der Romani Sprache und Geschichte an staatliche Schulen auf nationalem Niveau ein, aber auch beim Festsetzen eines Kontingents von besonderen Schul- und Studienplätzen für Roma. Auf europäischem Niveau arbeitete Mihaela Zatreanu mit dem Europarat als Geschäftsführerin beim European Roma and Travellers Forum zusammen. Sie agierte mehrere Jahre lang als Erziehungsexpertin für den Europarat, trug zur Entwicklung des Grundsatzpapiers für die Erziehung der Roma Kinder in Europa bei, gestaltete das Handbuch für Roma SchulmediatorInnen, Lehrmaterialien für vorschulische Bildung und das Curriculum für Romani Sprache in Zusammenarbeit mit einer Gruppe von europäischen Experten. Außerdem arbeitete sie am Exzellenzzentrum als Ausbilderin für SchulmediatorInnen und war Beauftragte für das nationale ROMACT Programm in Rumänien.

Ramona-Maria Cara(Rumänien)

Ramona ist eine professionelle Sozialarbeiterin in der Organisation Rumänisch in Berlin e.V. Hier unterstützt sie rumänische und Roma MigrantInnen in Berlin dabei, auf ihre bürgerlichen, sozialen und politischen Rechte zuzugreifen. Gleichzeitig arbeitet sie für das Kinderschutz-Zentrum Berlin sowie als Sozialarbeiterin in der Jugendstrafanstalt Berlin. Bevor sie nach Deutschland umzog, erwarb Ramona ihren Mastertitel an der School of Public Policy, Spezialisierung Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, an der Zentraleuropäischen Universität (CEU) und ihren Bachelor in Sozialarbeit an der West-Universität Temeswar, Rumänien. Ramona begann ihre Karriere im Temeswarer Verband der Roma Frauen „For Our Children”, wobei ihre Hauptaufgabe darin bestand, die Achtung der sozio-politischen Rechte der Roma Frauen inner- und außerhalb der Roma Gemeinschaften voranzutreiben. Sie war ebenfalls eine OSF geförderte Praktikantin bei der Romedia Foundation und danach wurde sie Junior Program Manager bei der Romedia Foundation, wo sie Antiziganismus mittels Kunst und Kultur bekämpfte. Darüber hinaus engagierte sie sich ehrenamtlich in einer politischen Partei für Roma Jugend in Rumänien, um die politische Beteiligung der Roma, besonders der Roma Frauen, zu steigern.

Sandra Selimović (Serbien / Österreich)

Sandra Selimović, geboren 1981 in Serbien, ist Schauspielerin, Regisseurin und Sängerin. Im Alter von fünf Jahren wanderte sie mit ihrer Familie nach Wien aus und jetzt beherrscht sie fünf verschiedene Sprachen. 1994 begann sie ihre Karriere auf der Bühne und wurde eine bekannte Schauspielerin, Regisseurin und Rapperin in der freien Wiener Theaterszene. Sie tritt vor allem im Jugendtheater Dschungel Wien auf, im ehemaligen Theater des Augenblicks und arbeitet mit Karl Wozek, P. W. Hochegger, Volker Lösch und Tina Leisch zusammen. Im Kosmos Theater war sie an der Vorführung des Stücks SHE HE ME von Amahl Khouri, in der Regie Paul Spittlers beteiligt. Als durchsetzungsfähige, selbstbewusste Roma Frau ist sie eine Verfechterin der Frauenbewegung in der Roma Gemeinschaft. Außerdem setzt sie sich im Kampf gegen die antiziganistische Diskriminierung ein. 2010 gründete sie zusammen mit ihrer Schwester Simonida Selimović den ersten feministischen und professionellen Roma Theaterverein, Romano Svato.