THEATERSTÜCK ”SPRECHEN SIE SCHWEIGEN?” VON GIANINA CĂRBUNARIU IM THEATER FREIBURG

Auf Basis eines Anfangsprozesses dokumentarischer Recherche anhand von Interviews in Deutschland und Rumänien, gefolgt von Gesprächen und Improvisationen, schlägt diese Produktion eine theatrale Erkundung des Schweigeapparates vor, durch den die Ausbeutung von Arbeitskräften in Europa geschützt wird. So wie das Skript für ein Theaterstück eine bestimmte Konvention festlegt, bildet der europäische Rechtsrahmen die Grundlage für eine Realität, in der wir alle mitspielen. Ist das, was wir momentan erleben, ein gerechtes Skript? Inwieweit werden Würde und Entscheidungsfreiheit im An- und Verkaufsprozess von Arbeitskraft respektiert? Können wir Dinge zum Besseren verändern und wenn ja, wie? Was definiert jeden einzelnen von uns abgesehen von der Kraft zu arbeiten? Was bedeutet “Integration” in diesem Kontext? Das sind einige der Fragen, die das Stück versucht in den drei Muttersprachen der am Projekt teilnehmenden Schauspieler zu formulieren: Rumänisch, Deutsch und Ungarisch. Eine Besonderheit des Projekts wird sowohl durch die Besetzung von Schauspielern der rumänischen und deutschen Abteilung des Nationaltheaters Hermannstadt repräsentiert als auch durch die Proben auf Englisch als einzige gemeinsame Sprache aller Beteiligten.

  Die persönlichen Eckdaten der Schauspieler und die speziellen Voraussetzungen im Probenprozess haben uns die Möglichkeit gegeben, uns auf ein Spiel mit Identitäten und Perspektiven einzulassen, ein Spiel mit unsicheren und trügerischen Übersetzungen, die manchmal grausam und brutal, bisweilen in ihrer Absurdität aber auch amüsant seien können. Sie haben uns letztlich herausgefordert, dieses Skript zu finden, in welchem wir alle träumen können, wenn auch jeder in seiner eigenen Muttersprache. Dank allen, die die Freundlichkeit hatten, mit uns zu sprechen und im Besonderen Herrn Elvis Iancu, einer der Arbeiter, die im Jahr 2014 vor der Mall of Berlin – Mall of Shame protestierten. Danke für die Achtung der Arbeit und ihrer Würde.

Auf Rumänisch und Deutsch mit englischen Übertiteln

Gianina Cărbunariu ist Absolventin der Nationalen Universität für Theater und Film „I.L. Caragiale" in Bukarest (2004), und Gründungsmitglied der Gruppe dramAcum, eine Plattform zur Entwicklung und Förderung der rumänischen Theaterkunst. Ihre Stücke „Stop the Tempo“ (2003) und „mady-baby.edu/Kebab“ (2004), wurden übersetzt, veröffentlicht und inszeniert in Deutschland, Frankreich, Irland, Polen, Großbritannien und Italien. Gegenwärtig gilt sie als „ enfant terrible“ der rumänischen Dramaturgie. 


Eine Veranstaltung im Rahmen von

HUMAN TRADE NETWORK - Das Treffen: Vier internationale Theaterabende über Menschenhandel (MI. 21. bis SO. 25. Juni 2017)

Theaterschaffende aus Ouagadougou, Bangalore, Bukarest/Sibiu und Freiburg stellen sich der Frage: Was ist ein Mensch wert? Denn im globalen Preiskampf werden Menschen verkauft oder zumindest gehandelt – prekäre Unternehmungen mit hohem Risiko und hohen Gewinnmargen. Die Strukturen umspannen die Welt, befeuert von Wohlstandsversprechen, Not, Ungleichheit und der unstillbaren Nachfrage nach »billiger Arbeitskraft«. Das »Human Trade Network« erprobt ein globales Theater mit einem Recherchenetzwerk zwischen Deutschland, Rumänien, Indien und Burkina Faso. Das Treffen vom 21. bis 25. Juni 2017 zeigt vier Theaterprojekte, die sich kooperativ auf drei Kontinenten mit Ursachen, Strukturen, Dimensionen und Folgen von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung auseinandergesetzt haben. Alle Künstler haben intensive Recherchen betrieben und mit sehr individuellen künstlerischen Handschriften einen eigenen Theaterabend eigens für dieses Projekt entwickelt. Abschließend versuchen sie gemeinsam in einer Open Practice herauszufinden, wie globales Theater kollektiv gelingen kann. Dazu gibt es Diskussionen und Expertengespräche: Hat alles, was einen Wert hat, auch einen Preis?